MPU bei ärztlich verordnetem Cannabiskonsum

Bei ärztlich verordnetem Cannabis lässt sich die MPU durch einen Fahrtauglichkeitsnachweis umgehen. Diesen müssen Betroffene stets mitführen. Wer ärztlich verordnet Cannabis konsumiert, muss also nicht zwingend zur MPU. Allerdings sind die Belege über die ärztliche Cannabisverordnung und über die trotzdem bestehende Fahrtauglichkeit stets mitzuführen.

Grundsätzliches zum Fahren unter Cannabiseinfluss

Wenn ein Kraftfahrer nach einem Cannabiskonsum von der Polizei angehalten wird, entscheidet die Behörde anschließend, ob er für das Führen eines Kraftfahrzeugs geeignet ist. Dafür kann sie eine MPU anordnen. Zunächst einmal ist maßgeblich, ob der Cannabiskonsum bislang regelmäßig, gelegentlich oder nur einmal erfolgte. Dabei gilt der Grundsatz: Ein regelmäßiger Cannabiskonsum schließt aus Sicht der Führerscheinstelle die Fahreignung aus. Das ist natürlich ein Problem, wenn das Cannabis ärztlich verordnet wurde, denn dann wird es meistens regelmäßig eingenommen. Die Führerscheinstelle muss wiederum einen Nachweis zum regelmäßigen Konsum erbringen, was ihr auf drei Wegen gelingt:

  • #1 Der Betroffene macht freiwillig Angaben zu seinem Cannabiskonsum. Wenn dieser ärztlich verordnet wurde, wird der Betroffene das natürlich angeben.
  • #2 In sonstigen Fällen kann die Führerstelle eine ärztliche Untersuchung anordnen.
  • #3 Es genügt auch, unmittelbar nach der Verkehrskontrolle eine Blutentnahme anzuordnen. Wenn im Blut das Abbauprodukt THC-COOH festgelegte Grenzwerte überschreitet, gilt der Nachweis eines regelmäßigen Konsums ab 150 ng/ml als geführt.

Bei einem gelegentlichen Cannabiskonsum ist für die Führerscheinstelle maßgeblich, ob die Betroffenen diesen Konsum vom Führen eines Kraftfahrzeugs trennen können. Das ist dasselbe wie beim Fahren unter Alkoholeinfluss: Nicht das Alkoholtrinken ist verboten, sondern das Fahren über 0,5 ‰. Es gibt für die Führerscheinstelle Wege, dieses sogenannte Trennungsvermögen zwischen Konsum und Führen eines Kraftfahrzeugs einzuschätzen. Für den Cannabiskonsum nach ärztlicher Verordnung spielt dies hier keine Rolle, ebenso nicht das Fahren nach (wahrscheinlich) einmaligem Cannabiskonsum. Nur für besonders Interessierte: Zu Letzterem hat das Bundesverwaltungsgericht am 11.04.2019 die Entscheidung getroffen, dass ein einmaliger Verstoß nicht zum Entzug der Fahrerlaubnis führen soll (BVerwG, Az.: 3 C 13.17).

Cannabis auf Rezept: Ist trotzdem eine MPU nötig?

Grundsätzlich: Nein, sie ist nicht nötig, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Der betroffene Kraftfahrer führt die ärztliche Bescheinigung zur Cannabisverordnung mit.
  • Zusätzlich kann er eine ärztliche Bescheinigung zur Fahrtauglichkeit trotz des regelmäßigen Cannabiskonsums vorlegen.

Der letzte Punkt kann entscheidend sein. Cannabispatienten sind nämlich nicht jederzeit gleichermaßen fahrtauglich. Es könnte aus der ärztlichen Bescheinigung hervorgehen, dass sie bei einer veränderten Dosierung zunächst ihre Fahrtauglichkeit eingeschränkt ist und neu überprüft werden muss. Das Thema ist insgesamt komplex, weil die Rechtslage grundsätzlich dahingehend auszulegen ist, dass Menschen unter dem Einfluss von Drogen und/oder Betäubungsmitteln ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen verlieren. Darauf zielt auch die übliche MPU-Fragestellung ab: Steht die betroffene Person mehr oder weniger regelmäßig unter dem Einfluss von Mitteln, welche die Fahrtüchtigkeit einschränken? Diese Fragestellung betrifft die Einnahme von bestimmten Medikamenten ebenso wie den Alkohol- oder Cannabiskonsum. Wenn die Frage bejaht werden muss, darf die betroffene Person eigentlich ihren Führerschein nicht zurückerhalten.

Muss man eine MPU machen, wenn man Cannabis ärztlich verordnet bekommen hat?

Die Medizinisch-Psychologische Untersuchung kann, muss aber nicht, angeordnet werden. Cannabispatienten sollten sich darauf einstellen, dass sie trotz eines ärztlichen Rezepts eine Aufforderung zur MPU erhalten. Der erste Schritt dorthin ist in der Regel, dass sie in eine Polizeikontrolle geraten, bei welcher der Verdacht auf einen vorliegenden Cannabiskonsum entsteht und sie die oben genannten Bescheinigungen nicht vorzeigen können. Es werden dann Blut- und/oder Urinproben genommen. Die Daten gehen zur Führerscheinstelle, die anschließend über eine mögliche MPU-Anordnung entscheidet. Betroffene Fahrer sollten ihre ärztlichen Bescheinigungen in so einem Fall schnellstens nachreichen. Sie können sich auch gleich einen Anwalt für Verkehrsrecht nehmen.

Entfällt die MPU immer, wenn ich Cannabis ärztlich verordnet bekommen habe?

Nein, sie entfällt nicht immer. Ein Anwalt kann jedoch Einspruch gegen die MPU-Anordnung mit dem Verweis auf das Cannabisrezept einlegen. Wenn dieser Einspruch keinen Erfolg hat, kommt es zur Medizinisch-Psychologischen Untersuchung, bei der ein Leistungstest die Fahrtauglichkeit belegen muss. Eine Nebenbemerkung zu diesem Fall: Manche Autofahrer kommen auf die Idee, sich nachträglich bei einem Arzt ein Cannabisrezept ausstellen zu lassen. Davon ist abzuraten. Das Rezept müsste vordatiert werden, womit sich der Arzt strafbar machen würde.

Medizinisch-Psychologische Untersuchung nach ärztlich verordnetem Cannabiskonsum: Worauf kommt es jetzt an?

Die üblichen Fragestellung für die Erstellung eines MPU-Gutachtens lautet: Ist die/der Betroffene trotz der dauerhaften Einnahme eines Betäubungsmittels generell fahrtauglich? Diese Fragestellung bezieht sich auf alle möglichen Drogen, wenn der Verdacht eines Dauerkonsums besteht, sowie auf alle erdenklichen Medikamente, welche die Fahrtüchtigkeit einschränken. Der Gesetzgeber legt in Bezug auf die Medikamente fest, dass bestehende Zweifel an der Fahrtüchtigkeit durch einen Leistungstest im Rahmen der MPU auszuräumen sind. Nochmals zur Klarstellung: Es kann schon genügen, dass der verschreibende Arzt die möglichen Zweifel durch ein Attest ausgeräumt hat. Die meisten Ärzte, die Cannabis verschreiben, kennen dieses Problem natürlich. Sie stellen daher vorausschauend die nötige Bescheinigung aus. Die Führerscheinstelle kann sich damit zufriedengeben. Dennoch kann sie weiter nachforschen und in diesem Rahmen beispielsweise die Grunderkrankung der betroffenen Person und die Menge des verordneten Betäubungsmittels ermitteln, um eine fahrerlaubnisrechtliche Relevanz festzustellen. Nach dieser Überprüfung kann sie anstandslos den Führerschein wieder aushändigen oder aber die Medizinisch-Psychologische Untersuchung anordnen. Bei dieser Untersuchung muss der Gutachter von der Standardfragestellung abweichen. Diese lautet: Steht die zu begutachtende Person dauerhaft unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln? Wenn ja, ist die Fahrerlaubnis zu entziehen. Das ist aber bei einer Cannabiseinnahme aus medizinischen Gründen die falsche Fragestellung. Sie muss nun vielmehr lauten: Ist die Person trotz der dauerhaften Einnahme grundsätzlich fahrtüchtig? Das kann bejaht oder verneint
werden.

Rechtsfolgen bei falscher Fragestellung des Gutachters

Wenn der Gutachter wie beschrieben die falsche Frage stellt und nur danach fragt, ob überhaupt dauerhaft Betäubungsmittel eingenommen werden, können Betroffene dagegen Rechtsmittel einlegen. Das Verwaltungsgericht Würzburg war im Jahr 2019 der Auffassung, dass so einem Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung zukommt (VG Würzburg, Beschluss vom 26.04.2019, Az.: W 6 S 19.353). Die Fahrerlaubnisbehörde kann nach so einem Rechtsbehelf wahlweise

  • den Führerschein anstandslos zurückgeben, indem sie sich auf ein bereits vorliegendes ärztliches Attest stützt oder
  • eine neue MPU-Anordnung erlassen, bei der sie gleichzeitig den Gutachter auffordert, die richtige Frage zu stellen.

Die Chancen stehen in beiden Fällen nicht schlecht, dass die/der Betroffene den Führerschein zurückerhält.

Wie sollten sich Cannabispatienten vorausschauend verhalten?

Wer erstmals vom Arzt ein Cannabisrezept erhält, sollte darauf achten, dass der Arzt gleichzeitig die Fahrtauglichkeit bescheinigt. Wie erwähnt stellen die meisten Ärzte diese Bescheinigung ungefragt aus, ansonsten müssen die Patienten danach fragen. Es ist jedoch möglich, dass schon der verschreibende Arzt vom Autofahren abrät, weil einfach die verschriebene Cannabismenge zu hoch ist. Diese hängt schließlich von der zu behandelnden Erkrankung ab. Bei sehr starken chronischen Schmerzen wird die Menge relativ hoch angesetzt sein. Sie schränkt dann in der Tat die Fahrtüchtigkeit so sehr ein, dass vom Führen eines Kraftfahrzeugs abzuraten ist. Wenn aber das Cannabisrezept und gleichzeitig eine ärztliche Bescheinigung zur Fahrtüchtigkeit vorliegen, müssen Betroffene im Fall der Fälle (Führerscheinentzug wegen Cannabiskonsum) streng darauf achten, was die Fahrerlaubnisbehörde verlangt: Welche Unterlagen, Bescheinigungen, Rezepte und Gutachten fordert oder ordnet sie an? Es müssen die richtigen sein. Wenn dann ein MPU-Gutachter anders als der behandelnde Arzt entscheidet, lohnt es sich, dagegen gerichtlich vorzugehen.

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